Lange hatte ich mich gewehrt und am Blick auf den Spiegel festgehalten. Gemeint ist natürlich die gute alte Spiegelreflexkamera. Damit habe ich das fotografieren begonnen, gelernt und mich in den Schlag des Spiegels verliebt. Mit dem Kauf meiner kleinen Canon EOS M3 für unterwegs und Makroaufnahmen habe ich 2019 das spiegellose System schätzen gelernt. Die Vorteile liegen auf der Hand, gleich zu sehen was wie das Bild aussehen wird, Focuspeaking beim manuellen fokussieren (ein echter Gamechanger bei Makros) und geringeres Gewicht. Auch das adaptieren meiner alten Linsen klappt hervorragend.
Für Wildlifeaufnahmen jedoch, zumindest von Canon Seite her, nicht die erste Wahl. Aussetzer des Suchers und langsame Serienbildrate insbesondere mit Fokusnachführung sind deutliche Schwachstellen.
Canon hat hier im Jahr 2020 mit der R6 und R5 mit dem Wettbewerb aufgeschlossen und mit dem Tieraugenautofokus einen echten Mehrwert geliefert. Somit Stand für mich Ende 2020 fest, dass meine nächste Kamera definitiv die R6 sein wird. Oder doch nicht?
Fakt ist, das R-System ist teuer. Die 2.600,00 € für die Kamera sind schon viel Geld. Jedoch sind die, guten, nativen Objektive auch nicht preisgünstig, zumindest wenn man über kurz oder lang auf den Adapter verzichten und das volle Potential des neuen Mounts nutzen möchte. Für mich als Hobbyfotograf eine wohlüberlegte Entscheidung.
Bei meiner Recherche im Internet bin ich durch Zufall auf eine doch völlig unterschätzte Kamera gestossen. 14 Bilder pro Sekunde, 4K Videoaufnahme ohne Crop, Fokusstacking, PreBurst-shooting (dazu bald mehr), drei Funktionsräder und ein schlankes Design mit wenig Gewicht zu einem Preis von unter 1000,00 €? - klingt zu gut um wahr zu sein. Mit der Canon EOS R6 kann die Kamera natürlich nicht ganz mithalten. Muss sie aber auch nicht.
Wehmütig blickte ich zu meiner betagten 1D Mark IV. Nicht, dass ich mit Ihr unzufrieden wäre. Mit nun ca. 1 Mio Auslösungen und etlichen Schrammen und Kratzern stosse ich mit ihren 16 MP Immer häufiger an die Grenzen und das Bajonett leidet mittlerweile doch nun schon sehr an Altersschwäche.
Abend für Abend wälze ich meine Lightroombibliothek und schaue mir die Aufnahmen der letzten 2 Jahre an. Sortiere nach Brennweite, nach Jahreszeit und Tageszeit. Und immer mehr wird mir klar, dass ich noch immer kein Vollformat benötige. Sowohl im Telebereich bei meinen Rehen oder Vögeln als auch bei meinen Landschaftsaufnahmen. Ich sehe für mich keinen Vorteil mit einer EOS RP, R oder gar R6. Neben den Kosten für die neue Kamera müsste ich noch 2 meiner Lieblingsbrennweiten ersetzen, da diese an den neuen Mount selbst mit Adapter nicht passen. Zudem würde ich für Landschaftsaufnahmen neue Filter mit 150mm Breite benötigen um den gleichen Brennweitenbereich zu bedienen wie bisher. Die EOS M6 Mark II wird immer attraktiver.
Zum Glück habe ich im Internet RAW-Dateien für meinen besonders kritischen ISO-Bereich zum Download gefunden und konnte diese in meinem RAW-Konverter entwickeln und mit den Dateien meiner 1D Mark IV vergleichen. Das habe ich nicht erwartet. Das Rauschen in der 100% Ansicht ist zwar gegenüber meiner 10 Jahre alten 1D ab ISO3200 nicht besser, jedoch deutlich feiner. In Kombination mit den 32 MP wirkt es jedoch deutlich angenehmer. Ab ISO6400 wird dieser Effekt noch deutlicher. Ab diesem Wert habe ich Aufnahmen bisher nur noch im Notfall verwendet. Mit diesem Sensor hat Canon auch beim Dynamikumfang (bis ISO400 besser als bei der EOS RP!)
einen echten Schritt nach vorne gemacht.
Gestern kam nun die kleine M6 Mark II bei mir an. Etwa ein Drittel so groß wie die 1D und etwa auch 1 Drittel vom Gewicht. In den Maßen jedoch gegenüber der EOS M3 ein gutes Stück gewachsen und bedeutend besser in der Hand liegend meiner Meinung nach endlich als vollwertige Kamera zu bezeichnen. Der Autofokus ist beeindruckend. Funktionen wie Augenerkennung oder der Verfolgungsmodus sind ein echter Mehrwert. Nach nun 2 Tagen exzessiver Nutzung bin ich begeistert und denke meine 1D hat einen würdigen Nachfolger gefunden. Auch wenn ich am Abend keine Rehe angetroffen habe, konnte ich einige (unspäktakuläre) Bilder der Enten aufnehmen. Durch den lautlosen, elektronischen Verschluss ergeben sich völlig neue Möglichkeiten unbemerkt wilde Tiere zu fotografieren.